Gratis aber umsonst?

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Nun befinden wir uns also mitten in einem zweiten Lockdown, von dem inzwischen kaum jemand mehr glaubt dass er wirklich am 30. November endet.

Für die gesamte Tanz Branche ist dies fatal. Wieder müssen Tanzstudio  und Ballettschulen schließen , wieder werden sie mit Fitnessstudios gleichgesetzt, obwohl die Voraussetzungen in einer Tanz- und Ballettschule komplett anders sind. Events, Galas und Wettbewerbe müssen erneut verschoben werden beziehungsweise werden ganz abgesagt, da kein Veranstalter noch Planungssicherheit für die nächsten Monate hat. Angestellte und besonders selbstständige, freiberufliche Tanzpädagogen, Choreografen, Juroren und natürlich Tänzer trifft es besonders hart,  da es ihnen von heute auf morgen wieder einmal die Jobs weg reißt und ihnen die Hilfen der Regierung meistens nicht zu Gute kommen. 

Natürlich leidet momentan jede Branche, die durch den Lockdown betroffen ist und jeder hat angeblich die besten Hygiene Voraussetzungen und Sicherheitskonzepte. Scheinbar ist dieser Lockdown nötig, um die Zahlen herunter zu bringen, und ich denke auch wir als Tanzszene sind verpflichtet unseren Teil dazu beizutragen. Was ich jedoch kritisiere ist die Ungleichbehandlung durch die Maßnahmen, da es sich mir nicht erschließt, warum Einkaufszentren und große Malls geöffnet bleiben und sich die Leute dort in Massen ohne Kontakt Verfolgung treffen,während Theater, Kinos und auch Ballettschulen mit festen Klassen  und Kontakt Nachverfolgungsmöglichkeiten geschlossen werden müssen. Auch im Rahmen der Gastronomie verstehe ich nicht,  dass Bars mit großen, korrekt geführten Restaurants verglichen werden.

Vielen Tanzstudios geht es gerade sehr schlecht und fast täglich bekomme ich Nachrichten von Studios, die für immer schließen müssen, da Ihnen die Kunden weg bleiben, sei es weil diese den  Mitgliedsbeitrag nicht mehr bezahlen können oder aufgrund der Unsicherheit der Planungszustände.  Neuen Kunden kommen derzeit nicht, da sie sich scheuen sich derzeit vertraglich an etwas zu binden.

Wer noch nicht aufgegeben hat ist wieder online zu Gange, Tanzschulen streamen ihre Klassen, machen online Training, Künstler treten im Streamingshows auf und das ganze meistens kostenlos. 

Ich habe bereits im ersten Lockdown mich dagegen ausgesprochen kostenfreie Angebote diesbezüglich zu machen. Oft frage ich mich warum verkaufen wir im Internet unsere Arbeit für umsonst, quasi gratis. Nun Einige sagen es ist zwar gratis aber nicht umsonst, da  man den  Kunden an sich binde würde und den Kontakt halten kann und vielleicht sogar noch überregional bekannter werden könne. Ich sehe das nicht so. Natürlich ist es ein wenig Werbung und man soll durchaus das ein oder andere kleine Video oder auch nur einen Trailer / Teaser kostenlos einstellen. Wer mehr möchte, muss zahlen. Man könnte neuen Kunden sogar anbieten dass die Zahlung für das online Training zu einem Rabatt Vorteil für eine feste Mitgliedschaft wird nach Ende des Lockdowns.

Das Internet ist ein unerschöpfliches Archiv von kostenfreien, nicht immer qualitativ hochwertigen Angeboten geworden, wenn ich möchte kann ich inzwischen jeden Tag kostenlos online trainieren und lernen. Ich bin kein Gegner des online Trainings, im Gegenteil ich finde, dass das online Training und andere online Angebote wie Coachings, VideoCoachings, Online Kreativ Meetings, Webinare und sonstige Angebote eine unglaubliche Bereicherung unserer Arbeit sein können aber sie werden niemals das persönliche individuelle Training mit sozialen Kontakten ersetzen können. Egal wie gut die Technik ist, Kontrolle, Lerneffekt und Erleben wird online immer etwas anderes sein als im direkten Kontakt mit einem Lehrer und im direkten Austausch mit anderen Mittanzenden. Online Angebote können meiner Meinung nach nur eine Ergänzung sein, kein Ersatz, das sage ich immer wieder. In einem kürzlichen Artikel schrieb ich darüber, dass ich bei online Klassen auch eher Angebote favorisiere die an Kraft, Beweglichkeit oder Technik arbeiten, ich bin kein Freund von Choreografie Klassen online, meistens haben die Tänzer gar nicht genug Platz um die Choreografien korrekt austanzen zu können, sie gewöhnen sich Fehler an , die nicht korrigiert werden können, alleine durch die räumlichen Gegebenheiten. Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer und Technik wiederum finde ich kann man gut auch mal online machen, aber eben nicht kostenfrei. 

Wir sind Profis, wir leben von unserer Kunst. Tanz  ist für uns vielleicht immer noch unser liebstes Hobby aber es ist unser Beruf von dem wir unsere Existenz bestreiten, warum sollen wir also unsere Arbeit kostenlos zur Verfügung stellen, während gleichzeitig in vielen Tanzstudios die Kunden wegbrechen? Früher sagte man immer, was nicht kostet ist nichts wert. Nun ich denke ein Grundproblem der derzeitigen Zeit im gesamten Kunstsektor, was zum Beispiel auch die Theater angeht, ist die Tatsache, dass Kunst nicht ernst genommen wird, dass Kunst als bloßer Spaß gilt, dass Kunst nicht wertgeschätzt wird. Und ich glaube nicht, dass wir diese Einstellung und diesen Status ändern können, wenn wir heute unsere Arbeit kostenlos fast schon anbiedernd anbiete und höchstens um freiwillige Spenden bitten.

Kürzlich gab es eine Aktion “Alarmstufe Rot”, die Kunstszene ist die Gefahr, wo online Künstler ihre Profilbilder auf Rot einstellten oder Stillleben und stumme Bilder oder Videos von ihrer Arbeit beziehungsweise eben nicht Arbeit ins Netz stellen um die Leute aufmerksam zu machen auf die Situation in der wir uns befinden. Ich musste diesbezüglich eigentlich sehr lachen, denn wenn wir wirklich wollen dass den Leuten die Kunst fehlt und Ihnen von Ihnen wertgeschätzt wird dann sollten wir vielleicht wirklich stumm werden und alle unsere Angebote aus dem Netz nehmen. Dann wird es wirklich still und langweilig.

Gerade auf Plattformen wie YouTube bleiben die Videos meist ewig stehen und kaum jemand erhält so viele Klicks und likes dass er bei YouTube Werbung geschaltet bekommt und damit mit seinen Videos verdient.
Das Netz ist voll von kostenlosen Tutorials online Klassen Fitness Videos und so weiter. Warum soll der Kunde also noch für solche Angebote zahlen wir machen uns selber unsere zweite Einnahmequelle und die einzige Einnahmequelle die wir gerade haben zu Nichte. 

Einige Studios haben das zum Glück bereits  erkannt und bieten ihre online Klassen nur für ihre Mitglieder an, leider auch hier meistens kostenlos. Gleichzeitig stoppen viele Mitglieder ihre monatlichen Zahlungen, deshalb finde ich es wichtig, dass die online Klassen für die Mitglieder nur dann verfügbar sind, wenn diese gleichzeitig ihre Mitgliedschaft weiter laufen lassen und weiter bezahlen. Einige Studios bieten ihre online Angebote inzwischen auch gegen Zahlung, also on demand Angebote,  an externe Mitglieder nicht Mitglieder an. Dafür gibt es durchaus gute und bezahlbare teilweise kostenlose Plattformen wo man die Videos für einmaligen oder mehrfachen Abruf dem zahlenden Kunden anbieten kann. 

Auch für diesen Blog wird es in Zukunft auswählte Sonderartikel zu Trainingsthemen geben, die hinter einer sogenannten Paywall verborgen werden, d.h. sie werden nur für Pay per View Kunden oder Mitglieder und Unterstützende des Blogs sichtbar sein.

Es geht nicht darum aus der Krise Geld zu schaffen, es geht darum für künstlerische, professionelle Arbeit auch in der Krise und generell korrekt und wertgeschätzt bezahlt zu werden. Wir müssen aufhören unsere Kunst zu verramschen und zu verschenken.

Ich freue mich auf euer Feedback zu diesem Artikel eure Anregungen und Ergänzungen und Diskussionen zu diesem Thema.

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