In den letzten Jahren sind bei meinen Workshops sogenannte Turn- und JumpClasses die am häufigsten nachgefragten Themen. Zum anfänglichen Entsetzen vieler Teilnehmender beinhalten diese Workshops aber nur wenige Sprung- und Drehkombinationen. Wer erwartet, spektakuläre neue Sprünge oder Drehungen zu lernen, ist bei mir in diesen Workshops falsch. Mein Konzept für Turn and JumpClasses beinhaltet drei Stufen. Jede Stufe besteht aus einem ein- bis zweitägigen Workshop. Gerade die ersten beiden Level beschäftigen sich ausschließlich mit der Technik von Sprüngen und Drehungen, erst zum Ende des zweiten Levels und im Dritten wenden wir dieses Technik an auf verschiedene Sprünge und Drehungen. Ich nenne diese Workshop Serie „Core, Center, Balance and Alignment FOR Turns and Jumps.
Egal in welchem Tanzstil, ohne Core, Center, Balance und Alignment, ohne korrekte Körperhaltung, ohne eine starke Körpermitte und einem Bewusstsein für das Körperzentrum, ohne ausgeglichene Muskuläre Balance und ohne anatomisches Verständnis für den eigenen Körpers gibt es keine Kontrolle und keine Balance.
Ohne Kontrolle und Balance sind jedoch sowohl Drehungen wie auch Sprünge nicht korrekt möglich.
Immer häufiger sitze ich als Juror oder auch nur als Zuschauer bei Tanzwettbewerben und Tanzfestivals und sehe spektakuläre Dreh- und Sprungkombinationen, die jedoch leider technisch inkorrekt ausgeführt werden und von den Tanzenden oft nicht richtig gemeistert werden. Oft sieht man Drehungen verwackelt, schlecht geendet und gelandet. Besonders auffällig ist bei vielen Tanzenden die plötzliche Panik im Gesicht, der Moment wo sie kurz vor einer Dreh-oder Sprung-Kombination ihren tänzerischen Ausdruck verlieren, weil die Drehung oder der Sprung ein Angstelement in der Choreografie für sie darstellt. Vom gesundheitlichen Risiko bei der technisch inkorrekten Ausführung für die Gelenke und andere Strukturen, der sich häufig noch im Wachstum befindenden Tanzenden möchte ich hier gar nicht eingehen, da es den Rahmen des Artikels sprengen würde.
Nachfolgend möchte ich mich heute einmal darauf beschränken , die einzelnen oben genannten Elemente und Begriffe einmal bezüglich ihrer Bedeutung für Drehungen und Sprünge zu erläutern.
Alignment

Alignment ist der englische Begriff für die optimale Körperhaltung und korrekte Ausrichtung der einzelnen Gelenke und Körperbereiche zueinander.
Die richtige Körperausrichtung und -haltung sind für Tänzer und Tänzerinnen aller Tanzstile essentiell und von entscheidender Bedeutung. Eine gute Körperhaltung lässt sie nicht nur eleganter und selbstbewusster erscheinen. Eine gute Körperhaltung verbessert auch das allgemeine Gleichgewicht und die Körperbeherrschung.
Tanzen mit korrekter Ausrichtung macht das Tanzen angenehmer, effizienter und ich würde fast sagen leichter. Eine gute Körperhaltung kann als die mechanisch effizienteste Positionierung für den Körper bezeichnet werden und reduziert das Risiko von Belastungs- oder Überlastungsproblemen wie Rücken- und Muskelschmerzen.
Es lohnt, auf eine gute Körperhaltung hinzuarbeiten. Einer der überzeugendsten Gründe ist, dass es Knochen und Gelenke in der richtigen Ausrichtung hält, damit die Muskeln richtig eingesetzt werden. Es hilft auch, die normale Abnutzung der Gelenkflächen zu verringern und die Belastung der Bänder, welche die Gelenke der Wirbelsäule zusammenhalten, zu reduzieren. Dies verhindert, dass die Wirbelsäule in abnormalen Positionen fixiert wird und verringert die Ermüdung, da die Muskeln effizienter genutzt werden und der Körper weniger Energie verbrauchen muss.
Besonders die korrekte Ausrichtung der Wirbelsäule, der korrekte Aufbau der einzelnen Körperteile übereinander ist ein wichtiger Punkt für korrekte Körperhaltung. Schwachstellen sind häufig die Kopfhaltung, falsche Spannungsverhältnisse im Schultergürtel, hochgezogene oder nach vorne gekippte Schultern, ein eingesunkenes Brustbein, falsche Beckenstellung, falsche Knie Ausrichtung und falsche Fußbelastung.
Ein weiteres häufiges Problem ist beispielsweise, wenn das Körpergewicht zu weit nach hinten getragen wird.
Verspannungen im Nacken und im unteren Rückenbereich werden sichtbar, wenn sich die Rippen nach vorne öffnen und das ausgewogene Verhältnis zwischen Becken, Brustkorb und Kopf stören. Dieses Ungleichgewicht beeinträchtigt die Gleichgewichtskontrolle, insbesondere beim Springen und Drehen.
Die meisten Tanzenden haben von Natur aus, durch Alltagsbelastungen, durch Wachstumsphasen oder durch einseitiges Training bzw. Tanzstil spezifische Belastungen muskuläre Dysbalancen, die eine gute Ausrichtung beeinträchtigen. Diese Ungleichgewicht kann meistens durch korrektes Dehnen und Kräftigen des Körpers behoben werden. Dazu ist es aber notwendig das Tänzer:innen ihren Körper gemeinsam mit dem Lehrer analysieren und ein jeweils individuelles Trainingsprogramm entwickeln. Allgemein gehaltenes Gruppentraining kommt da schnell an seine Grenze, deshalb lohnt es sich für dieses Thema ein- bis zweimal in eine private Einzelstunde zu investieren.
Um ein gutes Alignment zu erlangen empfehle ich immer noch allen Tanzlernenden aller Tanzstile die Grundlagen des klassischen Tanzes zu erlernen, ich selbst habe außerdem besonders gute Erfahrungen mit der Horton Technik in einer Kombination mit Cunningham, Graham und Pilates gemacht.
Aber es ist auch nützlich, die Verwendung mentaler Bilder zu erforschten und einzusetzen, um diesen Prozess zu unterstützen. Mit letzterem werde ich mich in einem späteren Artikel auseinandersetzen.
Core
Als Core, Englisch für Kern, bezeichnen wir im Tanz, die Körpermitte.

Der Kern umfasst alle Muskeln in der Mitte des Körpers, die Bauchmuskeln sowie die unteren bis mittleren Rückenmuskeln und sogar die Hüftmuskeln.
Für Tänzer und Tänzerinnen ist es, wie für viele Sportler, wichtig, eine gute Rumpfkraft zu haben, und vor allem, diese auch bewusst kontrollieren zu können. Es hilft bei Gleichgewicht, Kontrolle, Haltung und Kraft. Daher ist es wichtig, verschiedene Übungen zu machen, die helfen, mehr „Kernkraft“ zu entwickeln. Auch hierzu werde ich in einem weiteren Artikel demnächst einzelne Übungen vorstellen.
Wie bereits erwähnt reicht es jedoch nicht aus, nur starke Rumpfmuskeln zu haben, man muss sie auch einsetzen und kontrollieren können. Dies bezeichnen wir im Tanz als Zentrierung.
Center
Center ist der englische Begriff für eben diese Zentrierung. Jede Bewegung im Tanz entsteht in der Körpermitte und wird dort stabilisiert und kontrolliert, egal in welcher Position der Körper sich im Raum befindet. Manche Tanzstile erfordern etwas mehr gehaltene Zentrierung während andere Tanzstile einen permanenten Wechsel von Anspannung und Entspannung des Centers erfordern. Tanzende müssen also nicht nur lernen, die Muskulatur der Körpermitte zu kräftigen, sondern sie müssen immer wieder deren Ansteuerung, die Anspannung und auch die Entspannung im Center üben. Auch die korrekte Atmung und verschiedene Atemtechniken spielen dabei eine große Rolle. (Atmung beim Tanzen wird das Thema hier im Blog im Dezember sein)
Martha Graham hat in ihrer Tanztechnik viele Elemente die sich eben genau mit dieser Zentrierung beschäftigen. Da die Grahamtechnik für junge Tanzlernende oft schwierig zu meistern ist, empfehle ich hier meist Übungen und Prinzipien aus dem Pilates und auch wieder Teile der Horton Technique nach Lester Horton.

Core, Center und Alignment sind die 3 Grundlagen für Balance und Kontrolle.
Balance ist nichts weiter als die perfekte Überwindung der Schwerkraft. Egal in welcher Position der Körper sich im Raum befindet muss er gegen die Schwerkraft ankämpfen, damit wir weder wackeln, noch straucheln oder gar fallen. Die einzige Ausnahme ist, wenn wir dieses Fallen nutzen, also der Schwerkraft bewusst nachgeben, wie zum Beispiel bei Jazzfalls.
Je besser Tanzende ihre Körpermitte, die Zentrierung und die Körperausrichtung verstanden haben und einsetzen können, desto besser die Kontrolle und Balance.
Für das Training der Balance empfehle ich immer wieder den Einsatz von Pilates Bällen, großen Gymnastikbällen, Balance Pads und Weichbodenmatten, sowie Yoga Blöcke und Turn Boards.
Zudem plädiere ich immer wieder dafür, Choreographen und Choreographinnen mögen in die Wettkampfchoreographien weniger, für die meisten Tanzenden noch nicht korrekt zu meisternde, Drehungen und Sprünge einbauen, sondern mehr Zeit für korrekte Preparation, korrekte Absprünge und korrekte Landung zuzugestehen. Eine Choreografie kann trotzdem interessant werden. Es muss auch nicht dazu führen, dass z.B. jede Pirouette nur aus der 4. Position präpariert wird. Langfristig sollen unsere Schüler und Schülerinnen ja schließlich auch in der Lage sein, je nach Choreografie, Sprünge und Drehungen aus den unterschiedlichsten Positionen zu beginnen und zu beenden. Wichtig ist jedoch dass wir ihnen, dem jeweiligen Ausbildungsstand entsprechend, ausreichend Zeit geben innerhalb einer Choreografie, damit Drehjungen und Sprungkombinationen keine Angstelemente mehr werden und vor allem tanzmedizinisch sicher ausgeführt werden können.
Einige amerikanische Competitions haben übrigens vor einiger Zeit die Regeln geändert und unterteilen in den einzelnen Tanzkategorien nicht nur in Altersgruppen sondern auch im Ausbildungslevel. In jedem Ausbildungslevel sind unterschiedliche Elemente erlaubt, so dürfen zum Beispiel erst in den fortgeschrittenen Levels mehr als zwei Pirouetten gedreht werden. Ich finde das eine ganz guten Ansatz, denn manchmal habe ich den Eindruck, Lehrende und Choreographierende denken, sie müssten einzelne Elemente im Wettbewerb zeigen um mithalten zu können. Dabei nehmen sie dann in Kauf, dass in jeder Choreografie Elemente sind, die noch nicht gut sind und auch nicht gut sein können. Ich kann mich nur immer wieder wiederholen und ich weiß aus Gesprächen, dass viele meiner Kollegen ähnlich denken: wir Juroren legen keinen Wert auf diese Elemente. Wir möchten dem Ausbildungsstand und den körperlichen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen entsprechende Choreografien sehen, welche es den Tänzerinnen und Tänzern erlaubt, künstlerischen Tanz, Musikalität und Ausdruck auf der Bühne zu zeigen, ohne mentaler und körperlicher Überforderung und körperlicher Fehlbelastung.
Für heute schließe ich mit meinem Standardsatz: ohne Technik kein korrektes, ausdrucksstarkes, effizientes, sichere, gesundes und künstlerisches Tanzen, egal um welchen Tanzstil es sich handelt. Trainiert mehr Technik, schult den Körper und bildet ihn aus, dann kann er alles tanzen.
(Fotos: Creative Common Lizenzen)