Nachbericht: Tanzfestival Bergischer Löwe Wuppertal

Lesedauer 7 Minuten

In der vergangenen Woche war ich wieder einmal in Wuppertal zu Gast als Juror für das Tanzfestival Bergischer Löwe, ausgerichtet vom Tanzhaus Wuppertal, das zum ersten mal 2012 stattfand und nun bereits zum 7. mal stattfinden konnte. Zeitweilig konnte der Bergische Löwe nur zweijährig veranstaltet werden, und dann bremste Corona alles komplett aus. Seit 2022 findet er nun hoffentlich wieder jährlich statt, trotz steigender Kosten.
Ursprünglich ein kleiner regionaler Wettbewerb, so hat er sich inzwischen zu einer überregionalen Größe mit Teilnehmern aus ganz Deutschland gemausert.

Ich hatte in den vergangenen Monaten ja bereits häufiger hier im Blog und auf Social Media geschrieben, dass ich nicht glücklich bin mit diversen Entwicklungen besonders in der deutschen Turnierszene. Der Bergische Löwe macht meiner Meinung nach einiges besser. Dabei kommt der Veranstaltung zu Gute, dass Kommerz nicht an erster Stelle steht.

Während viele Turniere inzwischen zu Gelddruckmaschine für die Veranstalter geworden sind, ist der Bergische Löwe eine Veranstaltung von Tänzern für Tänzer geblieben. Famile Zech vom Tanzhaus Wuppertal organisiert diesen Wettbewerb auf eigene Kappe. Alle Backstage und Vorderhaus Abläufe werden von Schülern des Tanzhaus Wuppertal erledigt und das mit einer tollen Energie und enormen Engagement. Ich finde das merkt man auch in der gesamten Energie des Wettbewerbs, von Teilnehmern über Trainer:innen und Eltern bis zu den Helfenden und der Jury. Ich freue mich, von Beginn an zum festen Jury Team zu gehören, wann immer es meine Zeit und Gesundheit zu lassen.

Sehr gefreut habe ich mich, dass die gesamte Veranstaltung erstmalig von Bernd Uhlen gefilmt wurde, den ich seit fast 20 Jahren als ehemaligen Organisator der Duisburger Tanztage und hervorragenden Tanzfilmer kenne und schätze. Auch Tony Maher war als Tanzfotograf in diesem Jahr wieder dabei und fotografierte den gesamten Wettbewerb in gewohnter Qualität.

Jury

Das Juryteam beim Bergischen Löwen ist übrigens sehr divers besetzt was Alter, Geschlecht und tänzerischen Background angeht, etwas das ich bei einigen anderen Wettbewerben häufiger vermisse. Besonders, dass der Anteil von weiblichen Juroren in der Jury (mit Ausnahme des Finales) im Vergleich zu anderen Turnieren ausgewogen ist, empfinde ich als sehr positiv. Ich werde dazu in den nächsten Tagen noch einmal etwas ausführlicher schreiben, warum ich dies als wichtig erachtete.

Die Diversity innerhalb der Jury garantiert meiner Meinung, dass gerade nicht nur ein Trend nach vorne gewertet wird, sondern ganz unterschiedliche Beiträge eine Chance haben, bei entsprechender Qualität, im Finale zu landen. Gerade in diesem Jahr fand ich das Finale sehr abwechslungsreich besetzt.

Aber auch trotz der Unterschiedlichkeit der Jury hat man bei vielen Endergebnissen auch gesehen, wie einig sich die Jury in vielen Wertungen immer wieder ist.

Persönlich finde ich es einen großen Vorteil, dass das Stamm-Jury-Team in jeden Jahr gleich ist und jährlich durch Gäste ergänzt wird.

Golden Buzzer

In diesem Jahr hatten wir erstmalig eine Neuerung. So konnte jeder Juror und jede Jurorin im Laufe des Turniers einen so genannten Golden Buzzer drücken beziehungsweise ziehen und direkt einen persönlichen Sonderlöwen als Preis vergeben und zwar unabhängig von den Wertungen. Auch wenn in diesem Jahr vorwiegend Gruppen ausgezeichnet wurden, die aufgrund ihrer Qualität auch in den Wertungen weit oben lagen, so gibt uns dieser Sonderpreis doch die Möglichkeit in Zukunft auch Gruppen oder Personen auszuzeichnen, die durch andere Leistungen oder Besonderheiten positiv auffallen. Ich selbst habe meinen Preis in diesem Jahr an die Gruppe DanceArt Sterne aus Berlin gegeben, da mich ihr Tanz Feeling Good sehr beeindruckt hat. Nicht nur, dass die Schule DanceArt jeden einzelnen Beitrag im Wettbewerb in einer herausragenden Qualität dargeboten hat und die Schüler sehr divers tänzerisch ausgebildet sind. Besonders gefiel mir die Qualität ihrer Choreografien und in der von mir ausgezeichneten Choreografie besonders die Tatsache, dass es sich um exzellente Jazz Stilistik gehandelt hat, die leider in Deutschland in den letzten Jahren immer seltener geworden ist, aber eine wichtige Grundlage für unser modernes Tanzen ist und niemals out of fashion sein sollte. Obwohl ich in Berlin lebe, kannte ich diese Schule vorher so gut wie gar nicht und ich bin begeistert, welche Qualität sie abliefern. Ich scheine mit meiner Meinung da auch nicht alleine zu sein, denn neben mehreren Medaillen Rängen erhielt die Schule zwei weitere Golden Buzzer meiner Kolleg:innen, den Bergischen Löwen für die Beste Kids Choreography sowie zusammen mit dem Tanzstudio Parkaue einen Sonderpreis durch meinen Kollegen Ateş Kaykilar, der einem Workshop als Sonderpreis gestiftet hatte.

Neu waren in diesem Jahr auch Gutscheine der Sonnentanz Boutique in Mettmann, die außerdem eine Spitzenschuhberatung für eine junge Nachwuchstänzerin gesponsert hatte. Ich wünsche mir mehr solche Preise und Sponsoren für die nächsten Jahre.

Qualität der Beiträge

Während im vergangenen Jahr, bedingt durch die lange Corona Pause, man bei einigen Gruppen deutliche Trainingsdefizite sehen konnte, so war ich doch in diesem Jahr von der enormen Qualität fast aller Beiträge sehr begeistert. Ich empfand die Qualität tatsächlich höher als vor der Pandemie. Ich kann mich nicht erinnern, dass es ein Jahr gab, in dem meine Wertungen fast immer im 80er und 90er Punktebereich so eng zusammen lagen. In vergangenen Jahren habe ich häufiger auch bis in den unteren sechziger Bereich manchmal sogar noch niedriger gewertet, in diesem Jahr gab es kaum niedrige Wertungen, was man auch daran sah, dass die Wertungen in diesem Jahr öfters sehr eng zusammen lagen und dadurch geteilte Platzierungen entstanden sind. Ich finde es ehrlich gesagt auch nicht schlimm, wenn Plätze geteilt werden müssen. Tanz ist eben kein klar messbarer Sport und die Einteilung der Kategorien beim Bergischen Löwen auch nicht so strikt wie bei anderen Wettbewerben.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte und etwas kritisieren soll, dann höchstens, dass die Trainer:inne. und Choreograf:inne noch einmal genauer darauf schauen, welche Stile sie eigentlich verwenden und welche Elemente sie in die einzelnen Choreografien packen. Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, deswegen spare ich mir das für einen weiteren Beitrag auf, nur so viel: Fouettés und A la Seconde Drehungen gehören nicht in Contemporary, akrobatische Elemente und zu viel Boden gehören nur selten in Musical Theater Solo Choreografien, nur um zwei Beispiele zu nennen.

Kindertanz

Besonders gefreut hat mich, dass wir besonders in der Kinder Kategorie sehr viele sehr gute Beiträge hatten. Aber auch hier muss ich leider etwas Kritik anbringen, wenn auch viel weniger als in den vergangenen Jahren.

Hauptsächlich in der Kategorie Urban aber auch in Contemporary empfinde ich viele Tänze immer noch als zu erwachsen. Die Kinder bekommen zwar bestimmte Choreografien hin, aber bei genauerem hinschauen sieht man, dass sie nur die gleichen Elemente kopieren, wie ihre jugendlichen und erwachsenen Vorbilder. Dies ist natürlich nicht kindgerecht, da es dem kindlichen Bewegungsapparat komplett widerspricht. Häufig sind die Kinder nur fähig, die Elemente auf einer Seite zu präsentieren und man erkennt, dass keine grundlagen-tänzerische Ausbildung stattfindet. Auf der einen Seite werden dann schwierige Elemente gezeigt, aber Grund-Bewegungsarten wie Springen, Laufen, Hüpfen und Gehen so wie Balance und Körperhaltung sind häufig schlecht. Dies fällt dann besonders in den Übergangsschritten zwischen einzelnen Elementen und Aufstellungen auf. Auch die musikalisch kreative Ausbildung fehlt häufig, was man daran erkennen kann, dass viele dieser Gruppen sehr angestrengte Gesichter und wenig Ausdruck zeigen und leider oft ein wenig unnatürlich wirken. Auf der anderen Seite sahen wir sehr kindgerechte Gruppen, bei denen eine gute Grundlagenausbildung erkennbar ist, die Kinder sich sehr sicher auf der Bühne fühlen und auch einen sehr guten Ausdruck ablieferten. Ich bin wirklich der Meinung, dass es nicht schlecht wäre, besonders in Contemporary und den Urban Styles im Kinderbereich, einige Stufen langsamer zu erklimmen. Auch konnte man erkennen, wie pädagogisch wertvoll Folkloretänze sein können, gerade diese Grupppen beherrschen Raumwege und Raumformen exzellent und haben rhythmische und schnelle Fusstechnik erlernt, die für spätere Choreografien hilft.

Leider waren gerade im Urban Bereich auch in diesem Jahr einzelne Beiträge von den Bewegungen immer noch zu „sexy“, zu erwachsen choreographiert und auch einzelne Outfits waren grenzwertig. Aber ich muss zugeben, dass es viel besser geworden ist als in den Jahren zuvor. Dennoch wäre es schön, wenn wir uns in Zukunft darauf einigen könnten, dass bauchfrei, in der Kinder Kategorie nichts zu suchen hat, dass unter kurzen Röckchen Panties gehören und dass bei einzelnen Outfits Strumpfhosen unbedingt dazu gehören.

Auch bei den verwendeten Songs, sollten einzelne Lehrer:innen unbedingt noch einmal genauer auf den Text der verwendeten Musik achten. Ein ansonsten wirklich sehr guter Tanz nutzte einen Song mit folgendem Text:

Racing all around the seven seas
Chasing all the girls and making robberies
Causing panic everywhere they go
Party-hardy on Titanic

[Pre-Chorus]
Sailing, sailing, jumping off the railing
Drinking, drinking, ’till the ship is sinking
Gambling, stealing, lots of sex-appealing
Come, let us sing the sailor-song

[Chorus]
So if we all come together, we know what to do
We all come together just to sing we love you
And if we all come together, we know what to do
We all come together just for you

[Verse 2]
Sailorman, you really turn me on
Now the guys are gone, come let us get it on
Girls like me are pretty hard to find
So if you go, I’ll kick your hiney

toybox – sailorman (kein guter Song für Kindertanz)

Muss das wirklich sein? Manchmal wäre es besser, einfach eine Instrumental Musik zu nehmen.

Aber wie gesagt, zum Glück war die Choreografie selbst und auch die Outfits der Kinder absolut kindgerecht und die Leistung hervorragend. Nur dieser Text geht gar nicht.

Leider muss ich noch eine Gruppe erwähnen, die uns Juroren sehr verärgert hat, da erkennbar war, dass die Kinder viel zu jung und zu unsicher waren, um überhaupt auf eine Bühne gestellt zu werden. Man sah in den Gesichtern der Kinder, wie unwohl sie sich gefühlt haben und wie überfordert sie mit ihrer einfachen Choreografie waren. Meine Kolleginnen* und ich waren alle der Meinung, dass man den Kindern damit nichts Gutes tut und dass das Ego der Tanzpädagogin* scheinbar stärker war. Meine Bitte an alle Kolleg:innen, lasst die Kinder nur auf die Bühne wenn sie wirklich dazu in der Lage sind.

Abschließend fände ich es übrigens auch sinnvoll, die Kategorie Kids nach Alter nochmals in Mini und Maxi zu teilen, um den einzelnen Ausbildungsstufen gerechter zu werden, aber die Frage ist, ob der Bergische Löwe damit nicht an zeitliche und räumliche Grenzen stoßen würde.

Fairness

Unerwähnt lassen möchte ich auch nicht, dass positive Miteinander der meisten Teilnehmendem, die, anders als bei manchen anderen Turnieren, interessiert die Beiträge der „Konkurrenz“ anschauten und sie anfeuerten. Selbst bei der Siegerehrung freute man sich trotz eigener Enttäuschung für die Anderen mit. Auch Eltern und Fans waren fair und applaudierten nicht nur für das eigene Kind. Eine kleine Ausnahme machten einige wenige Trainer:innen, die ihre Enttäuschung auch diesmal nicht zurückhalten konnten und die Jury „unprofessionell“ fanden (im letzten Jahr war die gleiche Jury natürlich super, da sie die Gruppe ausgezeichnet hatte und dieses Jahr eben einmal nicht).

Finale

Abschließend noch ein Wort zum Finale des Bergischen Löwen.

Eine Besonderheit beim Bergischen Löwen ist, dass alle Tänzerinnen* bereits ihre Platzierung, Pokale und Medaillen, sowie Urkunden in den Vorrunden ausgetanzt haben innerhalb ihrer Kategorie.

Das Finale ist quasi ein zusätzliches Bonbon. In der Regel kommen die ersten zwei, manchmal auch die ersten drei Plätze einer Kategorie in das Finale. Im Finale tanzen alle Stile und Kategorien spartenübergreifend gegeneinander. Das bedeutet natürlich für die Jury eine besondere Herausforderung, da die Tänze natürlich nur bedingt miteinander vergleichbar sind. Aber auch hier, denke ich, sieht man an den Endergebnissen, dass beim Bergischen Löwen alle Stile gleichwertig behandelt werden und Sparten unabhängig Qualität ausgezeichnet wird.

Fazit:

Der Bergische Löwe ist inzwischen kein kleiner Wettbewerb mehr. Die Teilnehmerzahl ist inzwischen höher als bei manchen Regionalwettbewerben der großen Verbände, man merkt es jedoch kaum, weil er sich den familiären und freundschaftlichen Charakter bisher beibehalten konnte. Ich hoffe, das bleibt auch in den nächsten Jahren so; dann bleibt er einer meiner Lieblingswettbewerbe und ich würde mir wünschen, wenn es in Deutschland mehr solche Wettbewerbe gäbe.

Ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr wieder dabei sein kann und danke allen Beteiligten für diese positiven Tage.

Mein besonderer Dank geht nicht nur an Familie Zech und die vielen Helfer, sondern ganz besonders an Jörg und Vanessa und die Läufer vom Löwen Team, wie auch meiner Jury Kollegin Sabine Odenthal, die mir und meinem kaputten Knie viele Wege abgenommen haben.

Mehr Informationen über den Bergischen Löwen gibt es unter :

http://www.tanzfestival-bergischer-loewe.de

sowie auf Instagram und Facebook.
Ich würde mich freuen, noch weitere Schulen und Talente in den nächsten Jahren dort zu sehen.

8 Kommentare

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Dance Art aus Berlin hat enorm dazu beigetragen, dem Tanzwettbeweb überregionale Bedeutung zu verschaffen. Dr. Hans Olaf Kappelt

Nun, es gab in diesem Jahr weitere Gruppen aus Berlin, Würzburg, Hildesheim u.a., auch im letzten Jahr kamen immer nicht-regionale Gruppen aus ganz Deutschland von Kiel bis München. Aber auf jeden Fall war DanceArt eine extreme Bereicherung auf sehr hohem Level, die ich sehr genossen habe. SK

Sehr geehrter Herr Kuth,
zunächst vielen Dank für Ihre sehr guten Blog Beiträge und ihre Expertise. Ich genieße es sehr, ihre fachliche Meinung zu lesen ubd es tut gut, dass sie Themen ansprechen, die auch schon mal unpopulär erscheinen. Sie sind eine konstante, wichtige Grösse in der Tanzwelt. Bitte machen Sie noch lange weiter.
Wir waren am Sonntag zum Finale beim Bergischen Löwen, einfach nur zum zuschauen und waren begeistert von der Qualität der Darbietungen und der tollen Atmosphäre dieser Veranstaltung. Ein ganz besonderes Event.
Herzliche Grüsse aus Düsseldorf

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