Spitzenschuh und Spitzentanz, ein Drama ohne Happy End?

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Wer mir auf Instagram folgt weiß, dass ich manchmal spontan und schonungslos ehrlich Kritik in die Welt schreie. Nun, leider ist der Raum bei Instagram begrenzt und so mancher kurze Post wirkt aus dem Kontext gerissen missverständlich oder wird fehlinterpretiert.

Nachdem ich in den vergangenen Monaten wieder mehr Wettbewerbe werten durfte, zahlreiche Schülerinnen zu mir zu Einzelstunden kamen und ich einige Wettbewerbe im Live Stream anschauen konnte, kochte kürzlich ein Thema in mir hoch, welches seit Jahren immer präsenter wird: Schlecht angepasste Spitzenschuhe und Kinder, die sich zu früh durch Variationen auf Spitze quälen müssen.

Als ich auf meinem Bildschirm wieder einmal eine kleine Tänzerin mit falsch gebundenen, schlecht sitzenden Spitzenschuhen und viel zu schwachen Füßen in einer viel zu schwierigen Variation sah, platzte es aus mir heraus und ich schrieb nur folgende Zeilen:

Viele Tänzerinnen tragen den falschen Spitzenschuh. Gibt es keine Geschäfte mehr, die korrekt beraten und anpassen?

Instagram @ stenkuth 11.02.2022

Das mit der falschen Technik, den zu schweren Variationen und den noch nicht ausreichend kräftigen Füßen hatte ich mir schon verkniffen. Viele meiner Follower sind ja nicht nur Eltern & Pädagogen, die man mit dieser Kritik erreichen müsste, sondern oft auch Kinder, die für bestimmte Dinge ja gar nichts können und mit der Kritik nichts anfangen können und eher verunsichert werden.

Dennoch habe ich mit dem Post ins Schwarze getroffen und es gab sehr viel Feedback, von Tänzerinnen, Pädagog:innen und Eltern. Heraus kam, das Thema richtiger Spitzenschuh ist für Viele ein Problem.

Tatsächlich scheint es so zu sein, dass die Anzahl der Fachgeschäfte in vielen Gegenden abgenommen hat und damit auch die Anzahl der Fachberater. Es schrieben mir aber auch Eltern, dass man sie mit dem Spitzenschuhkauf scheinbar alleine gelassen hat. Ihnen wurde gesagt, Ihr Kind brauche Spitzenschuhe und man solle mal in ein Ballettgeschäft gehen, einer Mutter wurde sogar gesagt, sie solle doch mal online schauen. Das ist natürlich nicht nur unprofessionell von den Schulen, sondern fahrlässig.

Jeder Fuß ist anders. Gerade für Anfänger ist es oft schwer, die richtigen Spitzenschuhe zu finden. Ein Spitzenschuh muß passen! Man wächst in ihn nicht hinein. Zu große Schuhe sind für untrainierte Füße nicht beherrschbar und gefährlich. Nicht jeder Spitzenschuh ist für Anfänger geeignet, es gibt große Unterschiede in Härte, Weite, Form, Blattlänge und der Beschaffenheit und Form der Standfläche, um nur einige Kriterien zu nennen.

Spitzenschuh ist Sache des Pädagogen in Zusammenarbeit mit dem Fachhändler, nicht der Eltern

Ein Spitzenschuh muss korrekt angepasst werden, um aus der Fülle der verschiedenen Modelle, den geeigneten Schuh herauszufinden bedarf es fachlicher Beratung. Das ist nicht in der Verantwortung der Eltern oder der jungen Tänzerin. Genau genommen ist es Sache der Pädagog:innen, welche entweder einen qualifizierten Fachhändler empfehlen können sollten oder noch besser, die Tänzerin zum Anpassen begleiten sollten. Ich kenne Kollegen, die machen, wenn eine Klasse für den Spitzentanz bereit ist, einen gemeinsamen Ausflug zum Ballettgeschäft. Das finde ich super, auch wenn es für die Pädagog:innen natürlich viel zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet. Inzwischen gibt es auch einige Läden, die mit einer großen Auswahl von Schuhmodellen mobil sind und in das Studio zu Besuch kommen und das Fitting vor Ort durchführen. Dieser Aufwand sollte die Gesundheit der Tänzerinnen wert sein.

Erwachsene Tänzerinnen, deren Fuß sich kaum mehr verändert, bleiben oft bei einem Modell, mit welchen sie gut klar kommen. Wenn man das passende Modell gefunden hat, kann natürlich Nachschub auch online bestellt werden. Aber jedes neue Modell muss erneut angepasst werden.

Viele Tänzerinnen schrieben mir, dass sie derzeit Probleme haben, da ihr Lieblingsschuh nicht mehr lieferbar sei bzw. die Produktion verlagert und verändert wurde und sie mit dem Nachfolgemodell nicht klar kommen. Für sie bedeutet das eine große Umstellung.

Bei Kindern und Jugendlichen verändern sich Füße, Kraft und Technik im Laufe der Ausbildung und des Wachstums, anders als bei Erwachsenen empfehle ich deshalb jedes neue Paar Schuhe neu anzupassen, oft muss das Modell nach einer Weile gewechselt werden.

Von zahlreichen Kollegen wurde mir übrigens die Sonnentanzboutique in Mettmann empfohlen. Ich habe noch keine Erfahrung mit dem Geschäft, aber sehr gute Kollegen schwören darauf. Im Rheinland kommen sie zum Fitting nach Absprache ins Studio, was ich optimal finde. Sie bieten wohl auch ein online fitting an, dazu kann ich leider noch nichts sagen, aber einen Versuch ist es wert. Beim nächsten Besuch im Rheinland werde ich mir das mal anschauen.

Sollte jemand irgendwo sonst besonders gute Erfahrungen gemacht haben und Tips geben können, schreibt es doch bitte in die Kommentare.

Viele Läden, mit denen ich früher zusammen gearbeitet habe, haben leider inzwischen geschlossen oder beschäftigen kein ausreichend geschultes Fachpersonal mehr, das muss man leider so sagen.

Ich möchte diesen Beitrag einfach und kurz halten und deshalb gar keine Abhandlung über den perfekten Schuh schreiben. Mir ist es wichtig, dass Eltern sensibilisiert werden, dass manche Pädagogen mehr darauf achten und mehr Verantwortung übernehmen, ihre Schüler mehr an die Hand nehmen. Ich weiß, dass viele gute Schulen so arbeiten, aber leider unglaublich viele auch nicht. Es gibt eben starke Unterschiede in Qualität und Anspruch in unserer Branche.

Abschließend noch ein Hinweis auf eine Sache, die wir an anderer Stelle demnächst unbedingt ausführlicher diskutieren müssen.

Warum werden Kinder inzwischen immer früher auf Spitze gestellt und warum gilt es auf vielen Wettbewerben inzwischen als Muss, bestimmte Variationen auf Spitze tanzen zu müssen, um mithalten zu können. Ich würde mir wünschen, dass länger auf Schläppchen getanzt würde. Ich würde mir wünschen, das Kinder nicht viel zu früh in Schwierigkeitsgrade gepusht werden, die sie nur mit Faken meistern und die sie an solider Tanztechnik, stufengerechter Ausbildung und der Entwiclung von Musikalität, Ausdruck und Interpretation hindern. Weniger Sport und Wettkampf täte nicht nur dem Klassischen Ballett sondern auch anderen Tanzstilen gut.

Bitte diskutiert und tauscht Euch aus. Ich freue mich auf Kommentare.

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